Stuttgarter Nachrichten über David Pricking

Stuttgarter Nachrichten über David Pricking

Stuttgart und die Region Zauberkunst ist keine Hexerei

Bei der Deutschen Meisterschaft der Magier hat der Tübinger David Pricking den ersten Platz in der Sparte Tischmagie gewonnen. Er ist einer der vielen Preisträger, die der Magische Zirkel von Stuttgart hervorgebracht hat.

Von David Mairle STUTTGART .

Es fällt nicht schwer, an Magie zu glauben, wenn der Tübinger David Pri­ cking sein Meisterstück aufführt. Ganz ru­hig legt er vier Spielkarten auf den Tisch und schiebt unter jede eine Münze. Dann nimmt er die Karten langsam wieder weg. Die Mün zen verschwinden, tauchen unerwartet wie­der auf, tauschen die Plätze. Wieder beginnt Pricking seine Karten auszulegen, da fällt ihm eine Taschenuhr auf, die einfach so in der Mitte des Tisches aufgetaucht ist. Zuschauer, die mit höheren Mächten nichts anfangen können, argwöhnen: Er muss die Uhr ganz unauffällig dort hingelegt haben, direkt unter den Augen des Publikums. Aber wann hat er das gemacht? Was er macht, sei keine Hexerei, versi­chert David Pricking. Es komme auf die richtige Technik an, auf Fingerfertigkeit und vor allem auf viel Übung. In seine Nummer „Vier Karten und vier Münzen“ hat er gut hundert Stunden investiert. Wie lange ge­ nau, kann er nicht sagen. Die Arbeit hat sich gelohnt: Bei der Deutschen Meisterschaft der Magier wurde er im Januar zum besten Tischmagier gekürt.

Die Preisverleihung war an seinem 35. Geburtstag. Mehr als 900 Zauberer waren versammelt und sangen ihm bei der Gelegenheit ein Geburtstagsständ­chen. „Das war ein bewegender Augen­ blick“, sagt der Zauberkünstler. David Prickings Laufbahn als Magier be­gann schon als Jugendlicher in seiner dama­ligen Heimatstadt Tuttlingen. „Ich habe mir damals eine VHS­Kassette mit einem Kar­tentrick von David Copperfield ausgelie­hen“, erzählt er. „Den Trick habe ich mir ei­nige Male angesehen und hatte dann eine Idee, wie der gehen könnte.“ Pricking übte den Zaubertrick ein und führte ihn auf einer Schulveranstaltung auf. „Erst später habe ich herausgefunden, dass Copperfield das Kunststück eigentlich ganz anders zaubert.“ Später fuhr er mit Bus und Bahn von Tuttlin­gen nach Stuttgart zu einem Jonglierladen in der Olgastraße. „Da habe ich mir drei VHS­ Kassetten mit neuen Tricks besorgt. Und in der Stadtbibliothek gab es damals genau ein Zauberbuch – das habe ich ausgeliehen.“ Nach einem halben Jahr trat er dem Magi­schen Zirkel von Stuttgart bei, aus dem schon zahlreiche Zauber­talente hervorge­gangen sind. Die „Stuttgarter Schule“ genießt in der Welt der Magier einen ausgezeichneten Ruf. Bei allen großen Meister­schaften werden regelmäßig Zauberer aus der Region ausgezeichnet. „So etwas wie eine Stuttgarter Schule gibt es nicht, aber der Begriff hat sich irgendwann eingebür­gert“, sagt Andy Häussler. Er tritt als Men­talmagier unter dem Namen „The Enter­brainer“ auf und ist der zweite Vorsitzende des Stuttgarter Zirkels. „Unser Erfolgsre­zept in Stuttgart hat zwei Bestandteile. Wir entwickeln unsere Nummern in Kleinen Gruppen, und wir haben Eberhard Riese.“ Wenn man dem Erfolg des Stuttgarter Zir­ kels nachgeht, stößt man immer auf Eber­ hard Riese. Seit 35 Jahren ist er der Vorsit­ zende des Zirkels und damit der Hauptver­ antwortliche für dessen Erfolg. Er hilft den Mitgliedern des Zirkels, neue Tricks zu ent­ wickeln und den Vorführungen den letzten Schliff zu geben. Hauptberuflich arbeitet er als Lehrer am Paracelsus ­Gymnasium in Hohenheim, wo er schon viele spätere Preisträger in der Zauberkunst unterrichtet hat. Unter seinen Schülern war zum Beispiel das Zaubererpaar Topas und Roxanne. „Eber hard Riese hat einfach ein Auge dafür, was eine Nummer braucht, um zu funktionie­ ren“, sagt David Pricking. „Als ich ihm mei­ nen Trick mit den vier Karten und vier Mün­ zen gezeigt habe, wollte er, dass auf dem Tisch eine Uhr erscheint. Wie das gehen soll, musste ich aber selbst austüfteln.“ Bei der Meisterschaft hat Pricking trotz zweier kleiner Fehler gewonnen. „Den Trick mit vier Karten und vier Münzen gab es schon vorher. Bisher wurde er immer mit vier gleich aussehenden Münzen vorgeführt. Diese Technik funktioniert aber nicht mit unterschiedlichen Geldstücken“, erklärt Pricking. „Zauberer, die meinen Trick sehen, wissen also: das ist etwas Neues. Das Publi­kum hat das Gefühl, dass alles ganz fair ab­ läuft und der Zauberer die Leute nicht aus­ tricksen will.“ Dahin bewege sich auch die Zauberkunst. An die Stelle von Effekten und schnellen Bewegungen werden langsamere, saubere Bewegungen treten, vermutet der Tübinger. „Das wirkt ehrlicher.“ Seit zwei Jahren schon lebt David Pricking von der Zauberkunst. „Ich schätze, dass in Deutschland ungefähr 200 Mitglie­der des Zirkels hauptberuflich zaubern. Alleine von den 80 Stuttgarter Zauberern leben etwa 15 von dieser Kunst“, sagt Andy Häussler, der sich Enterbrainer nennt. Der Alltag eines Magiers sei erstaunlich unspektakulär. „Ich verbringe sehr viel Zeit im Büro und versuche, gebucht zu werden“, erzählt David Pricking. „Und ich muss viel üben und Texte schreiben. Eine Zaubernummer braucht nicht nur einen guten Trick, das Kunststück muss auch originell präsentiert werden.“ Deswegen unterlegt Pricking sein Meisterstück mit Musik, die der Stuttgarter Pianist Dirk Schieborn extra für die Num­ mer geschrieben hat. Sein kleiner Sohn ist vom Beruf des Vaters nicht begeistert. „Er weiß, dass er meine Aufmerksamkeit nicht hat, wenn ich arbeite“, erzählt der Magier. „Deswegen schimpft er immer: ,Jetzt nicht zaubern, Papa!’“